Kanzlei Ringwald – Herrenberg

Systemische Beratung

Was ist überhaupt ein System?

Der Verwaltungswissenschaftler Niklas Luhmann, einer der Begründer der Systemtheorie, sieht ein System als die Differenz wischen System und Umwelt, wobei die Unterscheidung von System und Umwelt durch das System selbst hergestellt wird. Systeme sind zusammengesetzte Einheiten mit verschiedenen Elementen, die miteinander in Verbindung stehen, durch ihr Interagieren regelhaft “operieren” und damit eine bestimmte Struktur, Ordnung oder ein bestimmtes Muster herstellen. Ein System hat die Funktion, Komplexität zu reduzieren.

Autopoiese

Der systemische Denkansatz ist geprägt von der Annahme, dass lebende Systeme autopoietisch, das ist, sich selbst organisierende Entitäten, sind (Humberto Maturana). Autopoietische Systeme sind rekursiv organisiert: Das Produkt des funktionalen Zusammenwirkens ihrer Bestandteile ist genau jene Organisation, welche die Bestandteile produziert.

Menschliche Systeme können in drei unterschiedlicheTypen von autopoetischen Systemen eingeteilt werden, nämlich in ein biologisches System, ein soziales System und ein psychisches System. Hierbei erzeugt das biologische System “Leben” in Form von neuronalen Verschaltungen. Das psychische System  erzeugt “Bewusstsein”. Es steht in Wechselwirkung zu Wahrnehmung, Denken, Begriffsbildung, Fühlen und der Bildung von Vorstellungen, die Teil der charakterologischen Anlagen und damit zu Fühl, Denk- und Verhaltensmustern (Inneren Landkarten) werden können. Das soziale System erzeugt Kommunikation. Ein soziales System besteht nach Niklas Luhmann nicht aus Beziehungen zwischen Menschen, sondern ausschließlich aus Kommunikation. Diese einzelnen Systeme bilden füreinander Systemumwelten und sind strukturell gekoppelt. Jedes dieser Systeme ist operational geschlossen, d.h. es kann Vorgänge innerhalb der Systemgrenzen nur mit seinen eigenen Operationen ausführen und ist nicht von außen steuerbar (interessant für juristischen Kontrollideen). Alle drei Systemtypen erzeugen sich autopoetisch und zirkulär, d.h. durch ihre Aktivitäten erzeugen sie das, was sie für ihr Überleben brauchen. Sie sind zirkulär verbunden und erzeugen, gesteuert von Emotion und Kognition mentale Modelle (innere Landkarten), mit Hilfe derer Menschen aus ihrer Umwelt das herausfiltern, was sich mit ihren entstandenen Sinnattraktoren vereinbaren lässt und somit für sie Relevanz / Bedeutung hat. Mit Hilfe solcher mentaler Modelle erzeugen Menschen ihre Willensentschlüsse und bestimmen ihr Verhalten. So werden Interaktionen mit anderen Menschen beeinflusst und die Interaktionen wirken rekursiv auf das jeweilige Individuum zurück, werden wahrgenommen, verarbeitet und Teil der inneren Landkarten usw.

Menschen kommunizieren verbal und / oder nonverbal und treten so in äußeren Austausch miteinander. Solcher Austausch kann zu Konflikten führen, weshalb sich sowohl Juristen, als auch Systemischer Berater mit solchen beschäftigen. Konflikte sind also eine bedeutsame Schnittmenge zwischen der Juristerei und der Systemik.

Wie lässt sich ein Konflikt beschreiben?

Sozialer Konflikt ist nach Friedrich Glasl eine Interaktion zwischen Aktoren (Individuen, Gruppen, Organisationen) wobei wenigstens ein Aktor eine Differenz im Wahrnehmen und im Denken und im Fühlen und im Wollen mit dem anderen Aktor in der Art erlebt, dass beim Verwirklichen dessen, was der Aktor denkt, fühlt oder will eine Beeinträchtigung durch den anderen Aktor erfolgt.

Wie man aus dieser Definition ersehen kann, ist ursächlich für einen Konflikt vor allem die erlebte Beeinträchtigungen in der Umsetzung eigener Willensentschlüsse auf Grund so gedeuteter seelischer Differenzen.

Was in diesem Zusammenhang ebenfalls gerne von Ratsuchenden, die sich wegen eines Konflikts zu einem Anwalt begeben, übersehen wird ist, dass ein Konflikt nicht nur Verzerrungen im Wahrnehmen, Fühlen, Wollen impliziert, sondern auch verschiedene Konfliktstufen aufweist, die sich erst langsam von der Stufe 1 bis zur Stufen 9 erhitzen.

Das ist zum Beispiel an dem vielleicht bekannten Film „der Rosenkrieg“ zu sehen, der die einzelnen Eskalationsstufen eines Ehekonflikts auf unterhaltsame Weise darstellt.

Diese Eskalationsstufen eines Konflikts lassen sich nach Friedrich Glasl so einteilen:

1. Verhärtung
2. Debatte
3. Taten statt Worte

Win-Win-Phase

4. Images / Koalitionen
5. Gesichtsverlust
6. Drohstrategien

Win-Lose-Phase

7. Vernichtungsschläge
8. Zersplitterung
9. Gemeinsam in den Abgrund

Lose-Lose-Phase

Der Einsatz eines Anwalts wird in der Regel dann für notwendig erachtet, wenn Stufe vier erreicht wurde, sich also der Konflikt über die Win-Win-Phase hinaus erhitzt hat. Die Erfahrung zeigt, dass das Einbeziehen von Anwälten in den Konfliktkontext auf die Entwicklung der Konflikthitze wie ein Enzym wirken kann. Denn auch Anwälte leben in einer eigens konstruierten Wirklichkeit mit eigenen inneren Anlagen und Antrieben.

Ich halte es grundsätzlich für sinnvoll, zu versuchen, einen Konflikt schon auf einer möglichst niedrigen Konfliktstufe abzufangen. Denn je weiter sich ein Konflikt erhitzt hat, desto weiter haben sich Wirklichkeitskonstruktionen gefestigt, haben sich Differenzen vertieft und desto schwieriger und kostenintensiver lässt sich eine für alle Seiten brauchbare Lösung gestalten. Um eine solche, für Parteien oft unbefriedigende, Entwicklung zumindest unwahrscheinlicher werden zu lassen, könnte ein schwelender Konflikt ob meiner zusätzlichen Kompetenzen über ein fundiertes Systemisches Coaching schon in der anfänglichen Win-Win-Phase oder auch in fortgeschrittenen Konfliktphasen abgekühlt werden.

Konflikt Thermometer